Bei mir war es früher so
Je weniger ich zu verlieren hatte oder desto sicherer ich mich des anderen gefühlt habe, desto ehrlich konnte ich sein. In Beziehungen, in denen ich das Gefühl hatte, die Kontrolle zu besitzen, ging mir die ganze Wahrheit ziemlich leicht über die Lippen. Dann fühlte ich mich leicht und mit mir im Reinen.

Der Nachteil war dann jedoch, dass der Partner mir irgendwann langweilig wurde. Es gab wenig Inspiration, sondern ich war im Großen und Ganzen für alles verantwortlich und gab die Richtung vor.
In Beziehungen, in denen ich mich nicht sicher gefühlt habe und es immer wieder darum ging wer die Macht hat, war plötzlich die Ehrlichkeit ein Problem.

Ich wollte mich gern für ehrlich halten

Damals habe ich mir das nicht eingestanden. Ich wollte mich gern als ehrlich sehen. Ich war ziemlich gut darin, die Wahrheit so auszulegen, dass es für mich irgendwie wahr war. Ich drehte es mir dann so hin, dass die restliche Information, die ich nicht preisgab, auch entweder nicht wichtig war, oder eventuell sogar schädlich. Es fiel also in meiner Welt nicht unter Lügen, sondern ‚nur‘ unter Verschweigen. Da hatte ich allerdings ein ziemliches Störgefühl. Ich habe dann versucht, ehrlich zu sein. Es war aber oft so, dass das nicht wertgeschätzt wurde, sondern ich mich dann ‚betraft‘ gefühlt habe. Bestraft durch Liebesentzug, Rückzug, Anschweigen, Weglaufen, Misstrauen.

Ehrlichkeit = Vertrauen?
Ich dachte, eigentlich müsste durch mehr Ehrlichkeit das Vertrauen wachsen. So war es aber für mich nicht. Und dann habe ich immer mehr aufgehört, mich mitzuteilen und fiel ins Schweigen. Ver-Schweigen. Irgendwann hatte ich dann das Gefühl, nur noch in mir drin richtig zu existieren und nach außen hin, eine andere Frau zu sein. Ich habe mich immer unwohler gefühlt, konnte mich selbst nicht mehr leiden aber wusste auch überhaupt nicht, wie ich das ändern kann. Mir hat die Idee gefehlt, wie ich wieder ich sein könnte mit meiner ganzen Wahrheit. Für mich war klar, meine ganze Wahrheit verträgt die Beziehung nicht. Nicht, dass es da wirklich schlimme Dinge über mich gegeben hätte. Objektiv betrachtet war alles mit mir in Ordnung. Dennoch hatte ich gelernt, dass meine Wahrheit und ich ‚zu viel‘ sind.

Die Lösung
war für mich damals die Trennung vom Partner und die Vereinigung von meiner Wahrheit und mir. Beides schien unvereinbar.
Die ganze Wahrheit und ich mussten uns dann erst wieder aneinander gewöhnen und das dauert. Ich habe dann Schritt für Schritt meine Wahrheit wieder entdeckt und vor allem gelernt, mitzuteilen.
Heute weiß ich, dass dieser Prozess auch innerhalb einer Partnerschaft möglich ist, damals hatte mir innere Stärke, Zuversicht und ein Fahrplan gefehlt. Jedenfalls sind wir nun gute Freunde, meine Wahrheit und ich und werden uns in diesem Leben auch nicht mehr trennen.